Billy Joe und Eddy Shaver

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Wer in der Musikszene einen Mann sucht, der die tiefsten Tiefen eines menschlichen Lebens ausgelotet und dem es gelungen ist, diese Erfahrungen auf erschütternde Weise in Songs zu giessen, kommt unweigerlich auf den Texaner Billy Joe Shaver. Seine Biografie liest sich wie eine ins 20. Jahrhundert transponierte Hiobsgeschichte: Verschupfte Jugend, Alkohol, Drogen, stetes Wanderleben mit Gelegenheitsjobs, Verlust von drei Fingern seiner rechten Hand in einem Sägewerk, schwierige Beziehungen (er heiratete dreimal die gleiche Frau), trotz grossartiger Songs keine Anerkennung in der gängigen Musikszene und letztendlich, als ob das alles noch nicht genug wäre, innerhalb eines guten Jahres den Tod seiner Mutter, seiner geliebten Frau und seines Sohnes und musikalischen Partners. Das und die daraus resultierenden Herzprobleme (Er erlitt am 4. Juli 2001 bei einem Konzert auf der Bühne der Gruene Hall in New Braunfels einen Herzinfarkt.) zwangen den Mann in die Knie und nur sein unerschütterlicher Glauben halfen ihm wieder auf die Beine.
Dass es ihm gelang, all diesen Schmerz und dieses Leid in erschütternde Songtexte zu transponieren, davon zeugen seine letzten Alben.

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Eddy und Billy Joe Shaver

Billy Joes musikalische Partnerschaft mit seinem Sohn Eddy begann schon in den Siebzigern. Ein eindrückliches Beispiel ist die dieses Jahr erschienene DVD "Live in Austin", die ein Konzert aus dem Jahr 1979 zeigt. Ein damals 17jähriger Eddy Shaver begleitet seinen Vater mit der elektrischen Gitarre und bringt die grossartigen Songs seines Vaters auf den Punkt. Mann, war dieser Junge cool. Und talentiert.
Wer zum Beispiel am 27. und 28. Mai 1989 in Frutigen dabei war, als die beiden mit der Band von Darden Smith das Zelt zum Kochen brachten, wird diesen Anlass unauslöschlich in seinem musikalischen Gedächtnis gespeichert haben.
Obwohl Shaver's Songs von über 50 Künstlern (u.a. von Bob Dylan, Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Johnny Cash, Willie Nelson, George Jones, Kris Kristofferson, The Allman Brothers, David Allen Coe, Tom T. Hall, Patty Loveless und Roy Acuff) gecovert wurden, blieb ihm der Durchbruch zu einem breiteren Publikum versagt. Die amerikanische Countryszene lehnt ihn ab, weil er als Outlaw gilt und seine Songs eh viel zu rockig tönen und der europäische Mainstream hisst gegenwärtig bei Erwähung des Bundesstaates Texas sowieso sofort die Peace-Fahne und zieht ihre Pharisäerkappe tief über Augen und Ohren.
Wie dem auch sei, das Shaver-Team schaffte in den Neunzigern einige eindrückliche Platten (Anspielbeispiel: "Tramp On Your Street",1993, Zoo Records 11063-2), bis dann am 31. Dezember 2000 eine Drogenüberdosis dem Leben von Eddy Shaver ein Ende setzte.
Sein Vermächtnis war die grossartige Gitarrenarbeit im kurz später veröffentlichten Meisterwerk "The Earth Rolls On", (2001) Blue Rose Records BLU VD0252, einer "Lehrstunde in Sachen Countryrock" (Musikexpress).
Billy Joe Shaver verarbeitete den Schmerz und das Leid im erschütternden Album "Freedom's Child". Daraus eine kurze Textpassage:

there's many a moonbeam got lost in the forest
many a forest got burnt to the ground
the son went with Jesus to be with his mother

the father just fell to his knees on the ground
day by day his heart kept on breaking

and aching to fly to his home in the sky
now he's arisen from the flames of the forest
with songs from the family that never will die
(Day By Day)

Wer Mühe damit hat, dass man in Zeiten tiefster Verzweiflung sich noch mehr Gott zuwendet, der wird diesem Album nicht viel abgewinnen. Für alle andern ist es jedoch ein eindrückliches Zeugnis dafür, dass auch aus tiefster Not wieder ein Weg ans Licht führen kann. Und das ist ein tröstlicher Gedanke.
Billy Joe Shaver hat ganz am Anfang seiner "Karriere" das Thema seines Lebens in einen Vers geschmiedet:

I'm just an old chunk of coal
but I'm gonna be a diamond some day.

Dem ist nichts beizufügen. Ausser vielleicht:
Wer sich für Americana interessiert, findet einen interessanten Blog unter http://americana-usw.blogspot.com/ Hanspeter Eggenberger, der einmal Kulturredaktor im Sonntagsblick war, bespricht hier regelmässig und kompetent Neuerscheinungen aus diesem Genre. Absolut empfehlenswert.

Nachtrag1 von Milliboy:

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Es gibt noch echte Texaner:

Austin TX., März 1989 -  ein angenehmer Frühlingsabend. Im Continental Club an der Congress sind heute Nacht Jimmie Dale Gilmore, Butch Hancock und ihr Kumpel Jesse ‚Guitar’ Taylor angesagt. Ich geniesse die Show trotz der lauten Honky-Tonk Atmosphäre. Irgendwann in der Mitte des Sets betritt ein waschechter texanischer Kleiderschrank das Lokal und setzt sich an meinen Tisch. Ich erkenne ihn sofort. Bald beginnt eine Unterhaltung, welche dann in der  Pause so richtig in Schwung kommt. Man kommt sich näher, erzählt dies und das über Herkunft und Pläne. Weitere seiner Kumpels sind inzwischen zur Runde gestossen und die Stimmung steigt rasant. Es beginnt das Bier in Strömen zu fliessen, mitsingen ist angesagt. Billy Joe flippt beinahe aus ob meiner Schweizer Herkunft  und verbirgt auch seine grosse Vorfreude auf die in 2 Monaten bevorstehende Reise ans Frutiger Country Festival (siehe oben) keineswegs. Gegen 2 Uhr morgens, weit nach Schluss der Show, bittet er mich nach draussen vors Lokal, öffnet die Heckklappe seiner schon stark angejahrten Ami-Fass Rostlaube und zupft dort aus der Unordnung zielgerichtet eine Promo-Kassette seiner neuesten Platte ‚Salt of The Earth’ heraus. Dann kribbelt er ‚Bless you, your Pal Billy Joe’ auf den Umschlag und sagt kurz ‚That’s for you’. Klopft mir auf die Schultern und murmelt zum Abschied etwas von ‚See you in Frutigen’.

Milliboy

Nachtrag 2 von Bellavister:

Zum Konzert vom 27. Mai 1989 in Frutigen habe ich noch einige Schnappschüsse.

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Nachtrag 3
Wer sich ausführlicher mit Billy Joe Shaver beschäftigen will , dem seien diese zwei Publikationen empfohlen:

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2002: ISBN 0-292-70613-8

"I was even born yet when my father first tried to kill me", so beginnt Billy Joe Shavers eindrückliche Autobiografie. Das Buch beinhaltet auch alle seine Songtexte bis zu "Freedom's Child". Auch wer des Englischen weniger bewandert ist, kann dem Text gut folgen, da Billy Joe' Sprache einfach und bildhaft ist. Kris Kristofferson meint: "He's as real a writer as Heminghway. He's timeless."

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2004: ISBN 097589310-6

Luciana Pedraza, die Lebensgefährtin von Regisseur und Schaupieler Robert Duvall, der wiederum ein enger Freund Billy Joe Shavers ist, schuf diesen Dokumentarfilm. Er ist nun auch auf DVD erhältlich. Er zeigt das Leben Billy Joe's auf fast schmerzhaft intime Weise. Erschütternd zu sehen, wie ein todkranker Jesse "Guitar" Taylor getauft wird oder wie Billy Joe seine über 100jährige Lehrerin trifft, die ihn damals von seinem Talent zu schreiben überzeugt und ihm dadurch mehrfach das Leben gerettet hat.

 

The Monks

Die Monks sind nur durch eine einzige legendäre LP bekannt. Sie war sowohl von der Aufmachung als auch vom Inhalt her ziemlich unpassend für die damalige Zeit. Ein schwarzes Cover und ein Sound, fast nur auf den Rhythmus reduziert, mit Songtiteln wie "Shut Up" oder "I Hate You" passte nicht in die Zeit, die von den Farben der Hippies, den Harmonien der Beatles oder dem Blues der Stones dominiert war.
Die Band hatte sich aus fünf Amerikanern gebildet, die in Deutschland ihren Wehrdienst absolviert hatten und anschliessend an ihre Dienstzeit eine Band gründeten und durch Deutschland tourten.
Heute meint man, ihre Musik sei der Entwicklung 20 Jahre voraus gewesen. Und wirklich, wenn man die LP auflegt, erinnert sie an frühen Punk und an deutsche Gruppen wie "Kraftwerk".

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1966: Polydor 249 900

Wie dem auch sei, die Gruppe hatte sich um die drei Originalmitglieder Eddie, Gary und Dave wieder neu gebildet und war für drei Konzerte nach Europa gekommen. So fand sich ein illustres Völklein am 21. Oktober im Mascotte in Zürich.

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Damals ziemlich ernst...

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und heute gutgelaunt. (Eddie und Gary)

Inmitten eines augenzwinkernd blasphemischen Anlasses mit Kruzifixen, Ave Marias, Priestern, Mönchen und Nonnen die drei freundlichen Grosspapis, die wild drauflosdreschten, ihre provokativen Kurzbotschaften ins dichtgedrängte Publikum schrien: "I hate you..." und erstaunt feststellten, dass ihre Message nach 40 Jahren überhaupt noch nichts von ihrem provokativen Elan verloren hat.
Und dem Sam, dem Milli und mir blieb die Genugtuung, als einzige drei Schweizer die Original-LP zu besitzen und die Band zugleich einmal live gesehen zu haben. Und falls unwahrscheinlicherweise noch ein vierter herum sein sollte, melde er sich umgehend hier!