Doug Sahm's 25 Auftritte in der Schweiz:

 

 

Sir Douglas Quintet in Frutigen 1994

Dezember 1969 Sir Douglas Quintet
Schweizer Fernsehen
Hits A Gogo
24. Mai 1983 Sir Douglas Quintet
Zürich
Limmathaus
31. Mai 1985 Sir Douglas Quintet
Zürich
Rote Fabrik
28. März 1987 Texas Mavericks
Zürich
Rote Fabrik
29. März 1987 Texas Mavericks
Lausanne VD
Dolce Vita
31. März 1987 Texas Mavericks
Zürich
Stutz
1. April 1987 Texas Mavericks
Basel
Atlantis
2. April 1987 Texas Mavericks
Wetzikon ZH
Kulturfabrik
3. April 1987 Texas Mavericks
Winterthur ZH
Rest. Neuwiesenhof
4. April 1987 Texas Mavericks
Rubigen BE
Mühle Hunziken
5. April 1987 Texas Mavericks
Einsiedeln SZ
Klostergarten
4. Juli 1991 Texas Tornados
Montreux VD
Jazz Festival

 

 

 

25. Sept. 1992 Texas Tornados
Gstaad BE
Country Festival
26. Sept. 1992 Texas Tornados
Gstaad BE
Country Festival

 

 

 

14. Nov. 1993 Texas Tornados
Zürich
Albisgüetli
15. Nov. 1993 Texas Tornados
Rubigen BE
Kulturmühle Hunziken
27. Mai 1994 Sir Douglas Quintet
Frutigen BE
Singer- Songwriterfestival

 

 

Frutigen

 

 

15. Aug. 1995 Last Real Texas Blues Band
Alpnach NW
Pizzeria Scampolo
16. Aug. 1995 Last Real Texas Blues Band
Basel
Casino Festival
9. Mai 1996 Last Real Texas Blues Band
Winterthur ZH
Albani
10. Mai 1996 Last Real Texas Blues Band
Rubigen BE
Kulturmühle Hunziken
11. Mai 1996 Last Real Texas Blues Band
Zug
Jugendzentrum
22. Nov. 1996 Texas Tornados
Zürich
Albisgüetli
23. Nov. 1996 Texas Tornados
Zürich
Albisgüetli
4. Aug. 1997 Last Real Texas Blues Band
Luzern
Blues Festival

Zum ersten Konzert des Sir Douglas Quintets in der Schweiz schreibt Martin Schäfer im Tagesanzeiger:

Ein texanischer Tornado
Ihr wollt eine Kritik? Nicht doch. Mich beschäftigt jetzt nur die Frage: Warum ist das «Sir Douglas Quintet» so gut, - und warum lockt es in der Schweiz doch keine 500 Leute hinter dem Ofen hervor? Die Fakten zuerst: Der Blues-Club Zürich hat es in verdienstvoller Weise auf sich genommen, die legendäre texanische Popgruppe aus Skandinavien (wo sich ihre fettesten europäischen Weidegründe befinden) auch nach Zürich zu locken. Fast wäre das Konzert doch nicht zustande gekommen, allerdings nicht wegen Sir Doug Sahms sagenhafter Unzuverlässigkeit, sondern weil der Organist Augie Meyers und der zweite Gitarrist Louie Ortega an der Grenze aufgehalten wurden, angeblich wegen fehlender Visa und einem vier Inches zu breiten Trailer. Ha! Ein Blick auf Augies Hippiezopf und das braune Chicano-Gesicht von Louie genügt wohl, um das Herz jedes Grenzbeamten erschauern zu lassen.
Aber sie schafften es dann doch noch, und so standen kurz nach acht alle sechs momentanen Mitglieder des famosen Quintetts auf der Bühne. Am Anfang durfte gleich - mit «Proud Mary» - der Schlagzeuger Doug Clifford brillieren, für viele wohl, als Überlebender von «Creedence Clearwater Revival», der geheime Star des Abends, ein Drummer, wie man ihn sich solider, aber auch beweglicher kaum wünschen kann. Denn täuschen wir uns nicht: Diese Musik mag mitunter simpel tönen, aber sie setzt, in ihrer ganzen stilistischen Breite von Tex-Mex, Rock, Blues, Country bis hin zur Polka, eine fast traumwandlerische Sicherheit voraus. Und dafür ist die Qualität der Rhythmussektion entscheidend. Bassist Jon Blondell, der Jüngste der Band, spielt normalerweise Jazz, beim Quintett macht er mit, weil er Doug Sahm als Bluessänger und -gitarristen bewundert. Und dazu hat er auch allen Grund, neben den alten Hits wie «Mendocino» gehörten die T-Bone-Walker-Nummern «Papa Ain't Salty» und «Stormy Monday» zum Eindrücklichsten an diesem Auftritt. Da spielt einer mit absoluter Autorität aus einer Tradition heraus. Die von der spezifischen Grenzsituation von Texas her offenbar weniger ethnische und damit auch musikalische Grenzen kennt als sonst im gelobten Land USA üblich. Wenn ich noch einen Wunsch gehabt hätte, dann den: ein noch blueslastigeres Programm - nur hätte Sir Douglas dafür seine Bläser gebraucht, und wer hätte die bezahlt?
Aber «Stormy Monday» mit einem perfekten «Pedal Steel»-Solo von Bobby Black (ex «Commander Cody»), der überhaupt sehr viel Country-Klang ins Spiel brachte, das war auch eines dieser Erlebnisse, wie sie (fast) nur Sir Douglas möglich macht, genau wie seine eigenen gekonnten Fiedeleskapaden oder Augies Tex-Mex-Handorgel. Und das ist der wahre Grund, weshalb Plattenfirmen, Konzertagenturen und folglich (leider) auch das grosse Publikum vor dem «Sir Douglas Quintet» Angst haben: Da weiss man nie so recht, woran man ist, wie übrigens die Musiker selbst nicht im voraus wissen, gibt's jetzt simplen Pop oder Volksmusik oder swingenden Jazz. Das verunsichert in einer Zeit immer segmentierterer und immer gleichgeschalteterer Konsumgewohnheiten, da könnte ja – Horror! - der Country-Fan plötzlich neben einem Punk stehen, und wer begegnet schon gern dem anderen, Fremden so unvermittelt? Dabei lässt es Doug Sahm so einfach erscheinen und selbstverständlich, für ihn gehört alles zusammen, bis zum abschliessenden Rolling-Stones-Titel «The Last Time», der hier plötzlich wieder zu dem wird, was er immer war: Teil der grossen Tradition, die wir mit dem Begriff «Rock» so unvollkommen und ungenau erfassen.

Martin Schäfer im Tagesanzeiger, Donnerstag, 26. Mai 1983

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Zürich, 31. Mai 1985: Zum Dessert gab es Schwarzwäldertorte von Sprüngli. Und die ganze Band unterschrieb brav auf dem Tortenschachtelboden: Doug Sahm, Augie Meyers, Larry Campbell, Ernie Durawa, Louie Ortega, Louie Teraza und Rocky Morales.

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Rockabilly im Klosterdorf: Texas Mavericks 1987 in Einsiedeln

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Frutigen 1994: Doug Sahm und Will Sexton bestaunen die rare französische Sir Douglas Quintet-EP.
(Bild: Bellavister)

"Ich bin eine Art in Texas geborener kalifornischer Hippie -mein Outfit ist bloss Tarnung"
von Michael Lüscher (Sonntagszeitung, 3. August 1997)

Doug Sahm, ein enthusiastischer Konservator der amerikanischen Popmusik, gehört zu den gern gesehenen Gästen in der Schweiz. Freitag- und Samstagabend spielte der alte Bekannte mit seiner Band Texas Tornados zweimal im ausverkauften Zürcher "Schützenhaus Albisgüetli" auf.


Der Hut ist Ihr Erkennungszeichen.
Sahm: Aber sicher. Ich trug den Hut schon, als Dwight Yoakam noch in den Windeln steckte. Aber ich mag Dwight, nicht dass Sie mich falsch verstehen. Wir gehen zusammen essen und sogar zusammen die Hüte kaufen. Ich trug den Hut schon, als wir "Mendocino" aufnahmen. Das war 1969.

Sie kommen aus Texas. Wer ein Mann ist, trägt dort einen Hut. "Du kannst meine Liebste haben / aber vergreif dich nicht an meinem Hut", singt Lyle Lovett, wie Sie ein Texaner.
Sahm: Viele Texaner tragen Hüte, das stimmt. Der Hut ist ein Symbol. Aber es gibt auch andere Symbole, Baseball-Mützen zum Beispiel. Ich reiste im Zug nach Zürich und hatte eine Mütze der New York Yankees auf dem Kopf. Da kam ein Typ und sagte, er möge meine Kappe. Dass die Yankees ein Baseball-Team sind, wusste er nicht. Ja, ich kam gestern mit dem Zug aus Holland und trug auch meine Stiefel.

Natürlich texanische Stiefel. Sind sie handgefertigt?
Sahm: Ja, sicher.

Gewisse Kleidungsstücke sind aus Texas nicht wegzudenken. Können Sie mir erklären, wieso man den Hut selbst in einem Haus nicht ablegt?
Sahm: Wir befolgen eben keine Regeln. Mich faszinierte immer die Kunst der Cowboys, selbst bei einer Verfolgungsjagd niemals den Hut zu verlieren. Es ist bloss ein Symbol, es hat keine grössere Bedeutung.

Trotzdem scheint Texas für Sie eine wichtige Rolle zu spielen. Nun sind Sie mit den Texas Tornados hier, früher spielten Sie mit den Texas Mavericks und mit der Last Real Texas Blues Band.
Sahm: Texas ist eine Identifikation. Mehrere Bands gleichzeitig zu haben, klappt bestens. Alle haben ihre Popularität. Die Mavericks sind eine recht ungewöhnliche Sache. Wir spielten gerade letzte Woche zusammen in Texas, mit Alvin Crow. Ich spielte Steel-Gitarre, unter dem Namen Wayne Douglas. Die Leute glaubten, die Texas Tornados stünden auf der Bühne. Ich musste ihnen erklären, dass diese Band nichts mit Rock 'n' Roll zu tun habe und dass ich nicht Doug Sahm, sondern Wayne Douglas, dessen Cousin, sei. Das machte Spass.

Sie sind nicht der einzige Texaner, der sich so sehr auf seinen Staat bezieht. Woher rührt dieser starke Patriotismus, den es in keinem anderen US-Staat gibt?
Sahm: Schauen Sie mal meinen Ring an (er zeigt ein Longhorn-Rind auf dem Umriss von Texas). Sie werden nie einen Minnesota- oder einen Kalifornien-Ring sehen. Ein Bild von diesem Ring, das wäre doch cool (grinst). Die Texaner sind stolz. Manchmal gehen sie allerdings etwas zu weit. Aber so sind wir einfach. Doch aus diesem Stolz entstehen auch hervorragende Menschen. Wir hatten Stevie Ray Vaughan, ZZ Top, Willie Nelson, T-Bone Walker, Buddy Holly, Waylon Jennings, Kris Kristofferson und viele mehr.

Aber "Mendocino" liegt in Kalifornien.
Sahm: Nun, es gibt in Texas Dinge, die ich mag, und Dinge, die ich nicht mag. Ich bin ja auch kalifornisiert. Ich bin eine Art in Texas geborener kalifornischer Hippie. Als ich in Kanada einmal wegen meines Huts und meiner Stiefel angesprochen wurde, sagte ich: Ich bin ein Hippie, mein Outfit ist bloss Tarnung (lacht). Ich bin sicher kein Redneck. Ich hasse die Dallas Cowboys.

Das ist ein Football-Team.
Sahm: Ja. Die hinterwäldlerischen Chauvinisten mögen diese Mannschaft. Es ist Amerikas Team für amerikanische Rednecks. Sehen Sie, ich fühle mich den aufgeweckten Texanern zugehörig. Ich gehörte schon 1965 zu den Hippies. Ich war in der Haight-Ashbury-Szene in San Francisco, ich kannte die Grateful Dead. So wurde ich zu einem anderen Texaner. Wenn man Texas nie verlässt, hat man keine Ahnung, wie es im Rest der Welt aussieht. Ich denke, es ist gut, beides zu kennen.

Der Grund, dass Sie damals nach Kalifornien gingen, war, dass Sie in Texas mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Sie und Ihre Band wurden wegen Drogenbesitzes festgenommen.
Sahm: Nein, das stimmt nicht. Marihuana ist keine Droge. Marihuana ist eine Pflanze. Kokain ist eine Droge, die einen umbringen kann. Damals belästigten die Behörden jeden, der irgendwie anders war. Es war einfach Zeit zu gehen. Wir gingen dann nach Kalifornien, lernten die Grateful Dead kennen, traten mit den Beatles und mit den Byrds auf, das war etwas anderes. Fünf Jahre lang kehrte ich nicht nach Texas zurück, denn es ging uns gut, wir hatten Hits.

In der Schweiz hält man Texas für ein Paradies, für eine Oase der Freiheit.
Sahm: Das ist es aber wirklich nicht. In Texas regieren die Republikaner. Ich weiss nicht, woher diese romantische Vorstellung stammt. In meiner Kindheit erlebte ich legendäre Musiker wie Bob Wills, Lefty Frizzell und Hank Williams. Doch das hat sich alles geändert. Die High-Tech-Industrie zieht neue und andere Leute an. Früher ging man nach Kalifornien, jetzt kommen die Leute nach Texas.

Aber Texas war stets ein guter Boden für Musik.
Sahm: Das stimmt. Doch das liberale Klima, das Sie ansprechen, beschränkt sich auf Austin. Bei den Präsidentschaftswahlen lag in Texas Bob Dole vorne. Aber Amerika ist so, überall verschieden. In Kalifornien wurde kürzlich ein Marihuana-Zusatz als Medikament für Aidspatienten erlaubt. So etwas wäre in Alabama niemals möglich. In einem Staat darf man eine Waffe auf sich tragen, in einem anderen Staat geht man dafür ins Gefängnis.

In Texas darf man sogar auf andere Menschen schiessen, wenn sie den Besitz eines anderen gefährden.
Sahm: Ja, Amerika ist ein eigenartiges Land. Ich habe Enkelkinder, sechs und elf Jahre alt, und ich frage mich, wie diese Kinder meiner Tochter die Welt erleben werden. Es ist verrückt. Ich brauche manchmal Abstand. Darum gehe ich gerne nach Kanada. Austin ist irgendwie vorbei. Diese High-Tech-Industrie hat so viele Leute angezogen, die Stadt ist nun wirklich überlaufen. San Antonio ist traditioneller. Und der Anteil der mexikanischen Bevölkerung ist sehr gross.

Wo leben Sie eigentlich?
Sahm: In Austin. Wenn ich mich verstecken will, gehe ich nach Vancouver. Es ist sehr schön dort. Ich halte die Sommerhitze in Texas nicht aus. Da ist es einfach zu heiss für mich. Europäer mögen es, wenn es Ende November noch 30 Grad warm ist. Ich finde das grauenhaft. Gut, ich verstehe: Wenn man im Schnee aufge-wachsen ist, liebt man die Hitze. Und wenn man in der Hitze aufwuchs, will man die Kälte.

Sie kommen praktisch jedes Jahr in die Schweiz. Was gefällt Ihnen hier?
Sahm: Das Sir Douglas Quintet war hier 1969 die Nummer zwei. Nur die Beatles verkauften in jenem Jahr in der Schweiz mehr Platten als wir. Irgendwie kommt meine Musik hier einfach an. Aus irgendeinem Grund haben die Leute hier eine Beziehung zu mir - und ich habe eine Beziehung zu ihnen. Da ist etwas Tieferes, Unerklärliches. Man spürt es besser, als man es beschreiben könnte. Es ist einfach gut hier. Ich war zuletzt im Mai hier, mit der Last Real Texas Blues Band. Ich liebe Wechsel. Ich bin ruhelos. Letzte Woche spielte ich mit der Blues Band, mit dem Sir Douglas Quintet und den Texas Mavericks. Alles in einer Woche. Könnte ich das nicht, würde ich mich langweilen.

Ständig Band und Namen zu wechseln ist nicht gerade ein Verhalten, das kommerziellen Erfolg verspricht.
Sahm: Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe ein paar Songs geschrieben, die mir einiges an Lizenzen einbringen. Und die Leute kennen mich und wissen, was ich tue. Ich arbeite mit Freddy Fender und mit Flaco Jimenez zusammen, die man ja auch kennt. Schauen Sie, dieser Mann da (nimmt die Zeitung mit einem Artikel über den Musiker, der sich früher Prince nannte, zur Hand) hat nicht einmal einen Namen, und trotzdem kennt ihn die ganze Welt.

Seit "Mendocino" und "She's About A Mover" in den sechziger Jahren hatten Sie trotz guter Songs keinen echten Hit mehr. Warum nicht?
Sahm: Die Radios spielten meine Songs nicht. Die Country-Stationen in den USA spielen heute nicht
einmal mehr Grossen wie George Jones oder Willie Nelson. Die spielen nur noch das neue Zeugs, Country-Pop. Aber ich bin sicher, das wird sich wieder ändern.

Sie begannen Ihre Karriere in den fünfziger Jahren als Teenager. Es heisst, Sie hätten damals mit legendären Bluesern wie T-Bone Walker zusammengespielt.
Sahm: Zuerst entdeckte ich Country-Musik. Ich sah Bob Wills, Hank Williams, Lefty Frizzell und Hank Thompson. Dann kam Elvis. Und ich kann mich erinnern, wie mir ein Freund einen Stapel Blues-Platten brachte. Da war ich noch sehr jung, das war wohl 1954. Da hörte ich Howlin Wolf (imitiert dessen rauhe, tiefe Stimme) und T-Bone Walker. Meine Mutter wusste, dass mich die schwarze Musik beeinflussen würde. Vor unserem Haus lag ein Feld, und auf der ändern Seite des Feldes war ein Klub, wo T-Bone Walker und Little Willie John zu spielen pflegten. Ich ging manchmal hin, stellte mich auf eine Bierkiste und schaute zum Fenster hinein. Ich sah T-Bone Walker den T-Bone-Shuffle spielen. Da machte es klick.

Später spielten Sie mit ihm?
Sahm: Nein, ich spielte nicht mit ihm, ich traf ihn. Er jammte viel. Die Stars jener Zeit hatten keine Limousinen, sie spielten, zockten, tranken und jagten Frauen nach. Diese Musiker waren keine Primadonnen, sondern Partyhänger.

Ihre grosse Zeit kam in den sechziger Jahren.
Sahm: Blenden wir zurück ins Jahr 1965: Die Byrds singen "Mr. Tambourine Man", wir "She's About A Mover", Sam The Sham hat "Wooly Bully", die Beach Boys haben "Help Me Rhonda", die Beatles "Eight Days A Week", die Rolling Stones "Satisfaction". Es wird nie mehr eine Zeit geben wie diese. Das war eine unglaublich kreative Periode. 1965 eröffneten wir einige Shows für die Rolling Stones. Die waren grossartig damals. Ich konnte es nicht glauben, dass eine englische Band so funky war. Die waren wirklich grossartig. Ich habe noch heute allen Respekt vor ihnen. Vor ihrem Gesamtwerk. Ich respektiere auch Jaggers Geschliffenheit. Ich mag ihn als Sänger, aber ich schätze ihn auch wirklich als Geschäftsmann. Man muss intelligent sein in diesem Geschäft. Die Beatles hätten es nie geschafft ohne Brian Epstein, obwohl sie so viel Talent besassen. Sie waren einmalig. Genauso wie Bäbe Ruth im Baseball. Nun haben wir Michael Jordan im Basketball. Es wird möglicherweise nie mehr einen grösseren Basketballer geben als ihn.

Sie sprechen oft von früher. Verspüren Sie nostalgische Gefühle, wenn Sie an 1965 denken?
Sahm: Ja. Diese Zeit ist mir in lebendiger Erinnerung. Für uns tat sich damals alles auf.

Mit Ihrer Musik lösen Sie auch beim Publikum nostalgische Gefühle aus.
Sahm: Der älteste Hit, "She's About A Mover", ist nun 31 Jahre alt. Davor hatte ich ein paar lokale Hits. Da liegen also drei Generationen dazwischen. Ich denke aber, dass unser letztes Album so gut ist wie das erste, vielleicht sogar besser. Wir bleiben dran, verbessern uns. Man probiert am besten Dinge aus. Wenn man an einen Punkt gelangt, wo nichts mehr Spass macht, dann wird man ratlos.

Wenn man sich an Ihren Konzerten umschaut, hat man den Eindruck, dass die Leute zusammen mit Ihnen älter werden.
Sahm: Ja. Die Leute haben Kinder, Enkel, müssen Rechnungen bezahlen, gehen in die Kirche, werden geschieden, heiraten, werden krank, gesund, glücklich, besaufen sich. Im Grunde sind wir doch alle gleich. Die Leute glauben, dass Stars anders sind. Aber das stimmt nicht. Vielleicht mögen die Leute gerade deshalb diese Band. Flaco trinkt mit den Leuten Bier. Wenn man mich auf die New York Yankees anspricht, dann kann man mich rasch in ein Gespräch verwickeln. Oder wenn man mit Jimmy Rodgers beginnt oder über Jazz spricht. Dinge, die ich wirklich liebe.

Was tun denn Ihre Söhne, die Sie bei Ihrem letzten Schweizer Auftritt mit dem Sir Douglas Quintet begleiteten?
Sahm: Shawn, der Heavy-Metal-Fan an der Gitarre, und Shandon, der Jüngste am Schlagzeug? Nun, manchmal spielen wir zusammen.

Die Familie scheint für Sie wichtig zu sein.
Sahm: Ich bin Single. Ich bin schon seit 24 Jahren geschieden. Meine Kinder sind alle erwachsen. Das Leben als Single macht Spass. Single zu sein und Enkel zu haben ist grossartig. Kinder halten einen jung. Ich heiratete mit 21, wir hatten drei Kinder und liessen uns scheiden, als ich 30 war. So konnte ich mein Leben lang Rock 'n' Roll geniessen. Konnte alles tun, was ich wollte.

Am Freitag spielten Sie in Zürich in der Mitte des Konzerts plötzlich einen Ländler. Wie kam es dazu?
Sahm: Das müssten Sie eigentlich Flaco fragen. Manchmal zieht er solche Dinge aus seinem Hut. Er ist ein berühmter Akkordeonspieler. Wenn er nach Österreich oder in die Schweiz kommt, zeigen ihm Volksmusiker ihre Stücke - so wie er ihnen seine Nummern zeigt. Im übrigen besteht ohnehin eine Beziehung zwischen TexMex- und deutscher Musik. In der Gegend von San Antonio liessen sich ja sehr viele Mitteleuropäer nieder.

Sie nehmen das Auftreten sehr gelassen. Während des Konzerts gingen Sie von der Bühne, plauderten mit Leuten aus dem Publikum und gaben Autogramme.
Sahm: Sehen Sie, diese Band besteht aus vier starken Individuen. Wenn jemand von der Bühne geht, verlieren wir keineswegs an Intensität. Wir haben ja auch so viele Hits. Die Texas Tornados kommen nicht als unbekannte Band auf die Bühne. Wir begannen vor sechs Jahren ja nicht einmal als unbekannte Band. Jeder von uns hatte längst einen Namen. Das ist wohl der Grund, dass sich unser erstes Album in den USA beinahe eine halbe Million Mal verkaufte. Und das ohne viel Hilfe des Radios.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass Sie häufiger in Europa auftreten als in den USA.
Sahm: In Europa ist das Publikum treuer. Und die Leute stehen hier mehr auf ursprüngliche Musik. Tina Turner sagte kürzlich, dass sie Europa vorziehe, denn in Amerika sei nichts mehr von Dauer. Nach zwei Monaten gelte eine Platte bereits als alt. Und Tina Turner hat was zu sagen. Natürlich habe ich eine Klientel in den USA. Doch 100 000 Leute sind eine kleine Zahl bei einer Bevölkerung von 270 Millionen Menschen. In Europa habe ich bloss ein Problem: Der Sport fehlt mir. Ich muss mein Baseball haben, ich muss die New York Yankees sehen. Und die Dallas Cowboys auch, ich hasse sie so sehr, aber gerade darum. Der Rest der Band mag das Team. Sie sind doch alle Rednecks (lacht).

Dafür jubeln Ihnen hier zuweilen als Cowboys verkleidete Country-Fans zu.
Sahm: Das ist wohl eine Image-Frage. Man stylt sich - Stiefel, Hut, Cowboy-Hemd. So fühlt man sich anders. Man denkt vielleicht an Gene Autry oder Roy Rodgers. Man sieht sich schon mit einer schönen Frau auf einem Pferd davonreiten. Wenn ich mit meinem Hut herumlief, riefen sie mir eine Zeitlang "J. R. Ewing" zu.

Auf der Bühne imitieren Sie manchmal Bob Dylans näselnde Stimme. Was ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Sahm: Ich spielte etwa vor einem Jahr zusammen mit ihm in Austin. Er rief mich zu sich auf die Bühne, und wir spielten seinen "Tom Thumb's Blues". Es war grossartig. Ich sang (imitiert Dylans nasale Stimme) "l looked the way at Austin, Texas / hey Bobby, ain't got nobody left but the blues / l'm going back to Vancouver . . .". Dylan musste lachen. Ich liebe ihn, er ist ein wunderbarer Amerikaner. Er ist ein aufrichtiger Mensch. Lieben Sie seine Musik?

Ja.
Sahm: Man muss. Während andere sich vornehmen, Meisterwerke zu schaffen, schreibt Dylan einfach Songs, ohne sich allzu ernst zu nehmen. Was herauskommt, ist grossartig.

Wie komponieren denn Sie?
Sahm: Ich notiere mir Melodiefetzen. Ich habe einen ganzen Stapel davon. Manchmal kommen mir die Ideen bei einem Telefongespräch. Oder ich sitze am Tisch, lese Zeitung, und da kommt mir eine Idee. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Ich höre sogar die Arrangements in meinem Kopf. Manchmal kommen die Texte ohne Melodie, manchmal die Melodie ohne Worte. Was interessant ist: Verschiedene Gegenden des Landes haben auf mich unterschiedliche Einflüsse. Ich komponiere in Oregon anders als in Louisiana oder in Texas. Ich lasse mich von der Atmosphäre tragen bei dem, was ich tue. Vielleicht ist das wirklich altes Hippie-Zeugs.

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Doug Sahm am 27. Mai 1994 mit dem Sir Douglas Quintet in Frutigen (links Louie Ortega)
(Bild: Bellavister)

Doug Sahm starb am 18. November 1999 völlig unverhofft und viel zu früh an Herzversagen. Seine Musik lebt in den Herzen seiner vielen Fans weiter.